
Dies ist der älteste Menschenschädel, der in Zentralafarika gefunden wurde und revolutionäre Erkenntnisse mit sich gebracht hat.
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Poitiers - Die früheste Phase des menschlichen Stammbaums hat ein Gesicht bekommen, und erstaunlicherweise kommt es aus Zentralafrika. In der Zeitschrift „Nature“ von letztem Donnerstag stellt ein Forscherteam aus Frankreich und dem Tschad Schädel und Kieferknochen des vermutlich ältesten bislang bekannten Mitglieds der Familie Mensch vor. Sahelanthropus tchadensis, so der Name der neuen Gattung, wird auf ein Alter von sechs bis sieben Millionen Jahre geschätzt und ist damit ein wenig älter als der bisher älteste Vorfahr des Menschen, Orrorin tugenensis aus den kenianischen Tugenbergen. Mit seinem Fund rüttelt das Grabungsteam unter Leitung von Michel Brunet von der Universität Poitiers kräftig am Stammbaum des Menschen, der bislang ausschließlich in Ostafrika zu wurzeln schien. Zum ersten Mal kommt der früheste Hominide nicht mehr aus dem 2500 Kilometer entfernten Gebiet zwischen Äthiopien im Norden und Südafrika, wo sich geradezu eine Fundstätte von Vor- und Frühmenschen an die andere reiht. Das Bild von der weit gehend geradlinigen Entwicklung von den letzten gemeinsamen Vorfahren mit den Schimpansen bis zum heutigen Homo sapiens sapiens wird zunehmend komplexer. Gut möglich, dass es sich bei Sahelanthropus um eine Parallelentwicklung handelt. Seine Überreste weisen eine eigenartige Mischung von primitiven und fortgeschrittenen Merkmalen auf. Ob der zentralafrikanische Frühmensch bereits gewohnheitsmäßig auf zwei Beinen lief, können die Forscher wegen der für die Klärung dieser Frage noch unzureichenden Funde nicht mit Gewissheit sagen. Der Frühmensch aus dem Tschad lebte in einer Umwelt, in der die Wüste offenbar auf dem Vormarsch war. Allerdings war die Fundgegend, die heute in der Djurabwüste liegt, zu Lebzeiten von Sahelanthropus immer noch fruchtbar genug, um allein 42 verschiedene Wirbeltiergruppen, davon allein 24 verschiedene Säugetiere, zu ernähren. Dort trafen Seeufer, ausgedehnte Sümpfe, Urwald, Savanne und Wüste aufeinander und bildeten ein abwechslungsreiches Ökosystem. Der Artenreichtum der Tierwelt war für das Grabungsteam ein Glück, denn so konnten sie das Alter der Menschenfossilien halbwegs genau bestimmen. Für eine absolute Altersdatierung mit Hilfe des Zerfalls bestimmter Isotope fehlte das entsprechende Material in der Umgebung der Knochen. aus DW