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BERLIN – Mobbing am Arbeitsplatz ist in Deutschland mittlerweile ein Massenphänomen. Jeder neunte Arbeitnehmer ist mindestens einmal in seinem Berufsleben Opfer von Psychoterror durch seine Kollegen oder Vorgesetzten. Dies ergab die erste repräsentative Studie, „Der Mobbing-Report“, den die Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Ulrike Mascher, am Dienstag in Berlin vorstellte.
„Jeder kann zum Mobbing-Opfer werden“, meinte die SPD-Politikerin. Allerdings sei das Risiko nicht für alle gleich groß. Frauen sind fast doppelt so häufig vom systematischen Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren betroffen wie Männer. Täter sind hingegen häufiger Männer als Frauen. In mehr als 50 Prozent der Fälle geht der Terror vom Chef aus oder er ist zumindest daran beteiligt. Befragt wurden für die Studie 4400 Beschäftigte.
Mobbing äußert sich in vielfältiger Weise. Eine der häufigsten Formen sind üble Nachrede und Verleumdungen. Gerüchte über mangelhafte Leistungen oder Fehltritte werden von den Kollegen gezielt gestreut. Andere Opfer berichten von Beleidigungen, Sticheleien und sogar Körperverletzungen. Mitunter werden auch wichtige Informationen vorenthalten. Die Folgen der Schikane sind gravierend. Nach Hochrechnungen sind rund drei Prozent des Arbeitszeitvolumens aller Beschäftigten durch Mobbing gekennzeichnet. Hinzu kommt, dass die Opfer oft so verunsichert sind, dass sie nervös, demotiviert und vielfach auch krank und mitunter sogar erwerbsunfähig werden. In mehr als der Hälfte der Fälle kündigt der Gemobbte schließlich oder unterschreibt einen Auflösungsvertrag.
Dabei stehe für die Täter das Ziel, ihr Opfer aus dem Betrieb zu drängen, gar nicht im Vordergrund, meinen die Autorinnen der Studie, Monika Holzbecher und Bärbel Meschkutat. Die am häufigsten genannten Motive seien vielmehr die Angst vor Konkurrenz, Neid oder unerwünscht geäußerte Kritik. Damit es zum Mobbing komme, seien allerdings weitere Faktoren notwendig, so die Forscherinnen. Ein Großteil der Gemobbten berichtete über ein schlechtes Arbeitsklima und eine mangelnde Gesprächsbereitschaft der Vorgesetzten. Die Studie belege, dass „Mobbing kein Randphänomen ist“, sagte Staatssekretärin Macher. Derzeit würden 2,7 Prozent der Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz gemobbt, das sind rund 800 000 Personen. Dennoch plane die Bundesregierung kein Anti-Mobbing-Gesetz, das es etwa in Frankreich oder Schweden gebe. Strafrechtlich relevante Vorfälle wie Beleidigungen oder Verleumdungen könnten schon heute juristisch geahndet werden. Ziel sei es vielmehr, Mobbing von vornherein durch verstärkte Information und ein besseres Arbeitsklima zu verhindern. Dazu müsse das Thema verstärkt in den Betrieben aufgegriffen werden. Mobbing-Opfer sollten sich zudem frühzeitig beim Betriebsrat über Schikanen beschweren.
DW