
Nach dem 11. September absolvieren die Darsteller von Nikolaus massenweise Schulungen, auf deren sie lernen, wie sie Leute unterhalten können und alle Sorgen vergessen lassen. FOTO - REUTERS
BERLIN/MYRA – Wer wirklich brav ist, bei dem war er in der vergangenen Nacht: der heilige Nikolaus. Der Mann im roten Mantel mit dem weißen Rauschebart legt jedes Jahr in der Nacht zum 6. Dezember Süßes und kleine Geschenke in die frisch geputzten Schuhe. Nur wer sie vor die Türe stellt, wird bedacht. Auffallen um keinen Preis – das ist das jahrhundertealte Motto des Gabenbringers. Deshalb ist seine Identität bis heute nicht wirklich geklärt. Immer wieder stellt sich die Frage, wo der Nikolaus eigentlich zu Hause ist. Hoch im Norden, so heißt es oft. Gesehen hat ihn jedoch in dieser eisigen Region noch niemand. Seit 1555 wird er in historischen Dokumenten als Gabenbringer für Kinder erwähnt. Und in byzantinischer Zeit – 3. bis 4. Jahrhundert, zu Zeiten von Kaiser Konstantin – sei er, so die Experten, Bischof von Myra gewesen. Myra ist eine Handelsstadt an der türkischen Mittelmeerküste, auf halbem Weg zwischen den Ferienregionen Antalya und Dalaman. Zweifler behaupten, es gebe den Nikolaus nicht. Es ist mit ihm wie mit dem Osterhasen: Wer an ihn glaubt, dem zeigt er sich in Form von Gaben. Er hat sich im Laufe der Jahre nur ein wenig verändert, sein angestaubtes Image aufpoliert. Der Nikolaus hat eine Bilderbuchkarriere gemacht. Einst wandelte er mit Bischofsstab und Mitra ausgestattet umher. Später dann in einem braunen Gewand mit Zipfelmütze durch den Schnee. Irgendwann erhielt der Heilige noch ein Gewand mit Kapuze in leuchtendem Rot. Und Coca-Cola machte ihn vor 70 Jahren in einem Werbefeldzug zum weltweiten Star. „Deshalb fürchten sich die Kinder heute auch nicht mehr vor ihm“, sagt Martina Eberspächer, Kulturwissenschaftlerin aus Stuttgart. Der Nikolaus als „strenge Erziehungsfigur“, der Kinder für begangene Missetaten bestraft, habe ausgedient. Dies sei, ebenso wie der mit Ketten und Rute hantierende Knecht Ruprecht, ein Relikt aus vergangenen, autoritären Zeiten.
dj, DW