Wenn ihre Kinder morgens um den Frühstückstisch herumtanzen, fühlt sich Marita S. wie auf einem fremden Planeten. „Vor der zweiten Tasse Kaffee bin ich einfach kein Mensch", stöhnt die Mutter dreier lebhafter Kinder. „Es ist für mich wahnsinnig anstrengend, alle pünktlich in die Schule und den Kindergarten zu bringen!" Einfach früher zu Bett gehen, um morgens besser aus den Federn zu kommen - das funktioniert für Marita S. nicht. „Ich habe abends noch so viel zu erledigen und bin auch gar nicht müde", erzählt die EDV-Kauffrau. Geht sie vor Mitternacht ins Bett, kann sie nicht einschlafen. Und fühlt sich wie gerädert, wenn sie am nächsten Morgen um 6.30 Uhr der Wecker aus dem Schlaf reißt.
Ähnlich geht es Christopher Heeschen, Chirurg am Universitätsklinikum Großhadern in München, wenn sein Chef morgens um sieben Uhr zur Teambesprechung bittet. „Matschig und unmotiviert", beschreibt der Forscher seinen Zustand. „Es fällt mir sehr schwer, mich zu konzentrieren." Seine kreative Zeit beginnt erst gegen zehn Uhr morgens, am besten kann er sich abends im heimatlichen Arbeitszimmer konzentrieren - zwischen 21 Uhr und Mitternacht.
Sozialer Jetlag
Für Till Roenneberg liegt klar auf der Hand: Marita S. und Christopher Heeschen leben im „sozialen Jetlag". So nennt der Professor vom Zentrum für Chronobiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität diesen Zustand, in dem sich zirka die Hälfte der Menschen in Mitteleuropa befindet. „Das ist etwa so, als würden Sie in München leben, müssten aber nach Moskauer Zeit arbeiten, also stets zwei Stunden früher aufstehen", erläutert der Forscher.
Seiner Meinung nach ist es nicht nur der Schlafmangel, der Spättypen wie Christopher Heeschen oder Marita S. zermürbt. Ihre innere Uhr geht nach. Dieser körpereigene Mechanismus passt den gesamten Stoffwechsel an den Tagesrhythmus an: Schon etwa zwei Stunden vor dem Aufwachen kurbelt er die Produktion bestimmter Hormone im Körper an, steigert die Körpertemperatur und stellt Botenstoffe bereit, die der wache Mensch benötigt. „Das ist so, als ob ich auf die Uhr schaue und denke, jetzt muss ich los, wenn ich in zwei Stunden am Flughafen sein möchte", vergleicht der Forscher. Für Spättypen fällt dieser körpereigene Weckdienst aus oder kommt zu spät - mit der Folge, dass sie morgens körperlich noch schlafen, obwohl sie aufstehen müssen.
Andere Wissenschaftler wie der Chronopharmakologe Björn Lemmer von der Universität Heidelberg bleiben diesbezüglich skeptisch. „Warschau und Brest zum Beispiel liegen in einer Zeitzone, aber im Winter geht die Sonne in Brest etwa eine Stunde später auf als in Warschau", argumentiert er. Demnach müssten Kinder in Polen im Winter morgens deutlich wacher und fitter sein, während ihre Altersgenossen, die in Brest zur selben Zeit zur Schule müssen, nicht aus den Federn kommen. Solche Unterschiede seien aber nicht bekannt. „Unsere innere Uhr ist durchaus flexibel. Alles andere wäre eine Katastrophe!"
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von Julia Bidder
Glossar
der Jetlag | hat man nach einem langen Flug aus einer anderen Zeitzone, der Körper braucht seine Zeit, um seinen Rhythmus wieder zu finden |
aus den Federn kommen | ugs. aus dem Bett aufstehen |
etwas vorgeben | etwas bestimmen, der Vorarbeiter gibt den Zeittakt am Fließband vor, eine Aufgabe festlegen |
stöhnen | man stöhnt, wenn man Schmerzen hat, ein lautes Geräusch beim Ausatmen |
wahnsinnig | hier: ugs. sehr |
sich wie gerädert fühlen | sich sehr, sehr müde und kaputt fühlen |
aus dem Schlaf reißen | j-n gewaltsam wecken |
zermürben | man geht langsam vor die Hunde, kaputt; das frühe Aufstehen zermürbt viele Menschen, etwas geht auf Dauer an die Nerven, z.B. Lärm zermürbt |
die Uhr geht nach | es ist in Wirklichkeit schon später |
der Stoffwechsel | der Metabolismus |
ankurbeln | etwas in Bewegung bringen |
I. Leseverstehen
Sind die folgenden Aussagen richtig oder falsch? Kreuzen Sie bitte an.
Richtig | Falsch | ||
1. | Viele Deutsche kommen mit dem herrschenden Zeitrhythmus nicht zurecht. | | |
2. | Frau Marita S. schläft zu wenig. | | |
3. | Sozialer Jetlag ist eine Krankheit. | | |
4. | Die Wissenschaftler unterscheiden in Früh-und Spättypen | | |
5. | Menschen haben einen angeborenen Weckdienst. | | |
6. | Die Wissenschaftler sind sich bezüglich der Problematik einig. | | |
I. Lösungen: 1 R, 2 R, 3 F, 4 R, 5 F, 6 F
II. Setzen Sie die Zeitadverbien bitte richtig ein.
Heute neulich gleich morgen eben vorhin jetzt
1. „Stell dir vor, erst _____ habe ich Tobias an der Uni getroffen.
Und ____ läuft er mir schon wieder über den Weg."
2. „Was du nicht sagst, ich habe ihn ___ auch gesehen.
Was der wohl ____ hier macht?"
3. „Keine Ahnung, ich rufe ____ mal Bärbel an, die müsste das eigentlich wissen.
Ok, ich muss ____ gehen, bis _____ also."
II. Lösungen: 1. neulich/vorhin, 2. eben/heute, 3. gleich/jetzt/morgen
III. Redewendungen mit „Zeit". Was passt zusammen?
1. sich die Zeit vertreiben a) "Meine Güte, Deine Klamotten haben aber auch schon bessere Zeiten gesehen." 2. die Zeit totschlagen b) "Galileo ist einfach zu früh geboren, niemand wusste etwas mit seinen Erkenntnissen anzufangen." 3. der Zahn der Zeit nagt an etwas c) "Was machst du denn schon hier, hast du mal auf die Uhr geguckt. Wir schlafen alle noch." 4. j-d ist seiner Zeit voraus d) "Wir könnten in der Zeit ja schon mal im Internet nachschauen." 5. zu unchristlicher Zeit e) "Man, ist mir langweilig, was soll ich bis dahin bloß mit der Zeit machen?"
1. | sich die Zeit vertreiben | a) | "Meine Güte, Deine Klamotten haben aber auch schon bessere Zeiten gesehen." |
2. | die Zeit totschlagen | b) | "Galileo ist einfach zu früh geboren, niemand wusste etwas mit seinen Erkenntnissen anzufangen." |
3. | der Zahn der Zeit nagt an etwas | c) | "Was machst du denn schon hier, hast du mal auf die Uhr geguckt. Wir schlafen alle noch." |
4. | j-d ist seiner Zeit voraus | d) | "Wir könnten in der Zeit ja schon mal im Internet nachschauen." |
5. | zu unchristlicher Zeit | e) | "Man, ist mir langweilig, was soll ich bis dahin bloß mit der Zeit machen?" |
III. Lösungen: 1d, 2e, 3a, 4b, 5c
QUIZFRAGE:
Was ist die „Geisterstunde"?
a) | ein Kinderspiel | M |
b) | 00.00 - 1.00 Uhr | I |
c) | die Zeit, in der die Kinder ins Bett gebracht werden | L |
LERNTIPP
Suchen Sie im Text immer zuerst nach internationalen Wörtern/Begriffen. Anhand dieser werden Sie den Text besser verstehen können, auch wenn Ihnen die Thematik fremd ist.
DIALOG
Wie spät ist es?
Passant 1: „Entschuldigung, könnten Sie mir bitte sagen, wie spät es ist?"
Passantin 2: „Tut mir leid, ich bin zeitlos glücklich."
Passant 1: „Wie bitte?"
Passantin 2: „Oh, Sie sind nicht von hier, das tut mir leid, ich wollte Ihnen damit nur sagen, dass ich leider keine Uhr trage. Das sagt man in Deutschland manchmal so als Scherz. Aber helfen konnte ich Ihnen leider immer noch nicht. Fragen Sie doch da drüben in dem Geschäft mal nach."
Passant 1: „Danke schön, das werde ich tun."
Passant 1: „Entschuldigung, haben Sie vielleicht eine Uhr und können mir sagen, wie spät es ist oder sind Sie auch zeitlos glücklich."
Verkäuferin: „Wieso auch? Aber leider nicht, ohne Uhr kann ich mir das Leben gar nicht vorstellen, moment, es ist zwanzig vor vier. Aber wieso fragen Sie eigentlich, Sie haben doch Ihr Handy um den Hals hängen, da können Sie doch auch die Zeit ablesen."
Passant 1: „Mensch, an das habe ich gar nicht mehr gedacht, aber trotzdem danke und einen schönen Tag noch.
Verkäuferin: „Ihnen auch, auf Wiedersehen."
Audio: der Dialog
Audio: Konversationsübung
© Goethe-Institut, Bratislava
Autor: Texty spracovala Martina Weiß-Pašková