Besonders in den Katastrofengebieten (hier New Orleans, USA) und während Krisen zeigt sich die Wichtigkeit von Familie, Freunden und Gemeinschaften. FOTO - REUTERS |
Horst W. Opaschowski für das Jahr 2006
voraus.
"In Deutschland hatte der Wohlstands- und Wohlfahrtsstaat viele der Aufgaben übernommen, die früher Familie, Nachbarschaft und Gemeinwesen geleistet hatten. Jetzt, in Zeiten knapper öffentlicher Kassen und gleichzeitig sinkender Lebensstandards bei großen Teilen der Bevölkerung deutet sich ein Umdenken an: die Renaissance von Familie, Freunden und Nachbarn. Die Familie wird zum Wohlfahrtsverband und die Gemeinschaft zum sozialen Rückhalt", sagt der Universitätsprofessor und Leiter des BAT-Freizeitforschungsinstitutes.
Er leitet seine Prognosen aus repräsentativen Umfragen seines Instituts ab: In der letzten veröffentlichten Umfrage von Opaschowski zu diesem Thema erklärten 45 Prozent der Bevölkerung, sie hätten praktische Nachbarschaftshilfe geleistet. 49 Prozent kündigten an, sie würden dies in Zukunft tun wollen. Der Gesellschaftsforscher erinnert an die Geschichte: "Wie in früheren Zeiten kommt es zu einer Neubelebung der Aktivität von informeller Nachbarschaftshilfe bis zu kleineren oder größeren Gemeinschaften: Früher gab es Hofgemeinschaften, Dorfgemeinschaften, Talgemeinschaften, Inselgemeinschaften, Zukunftsgemeinschaften und Landgemeinschaften. Selbst für den Fall, daß eine Gemeinschaft einmal wegfiel, standen eine oder mehrere andere Gemeinschaften bereit, bei Bedarf oder in Notsituationen auszuhelfen. Das war seinerzeit eine geradezu notwendige Überlebensstrategie, die Generationen überdauerte und für soziale Stabilität sorgte trotz Pest, Hunger und Krieg."
Die Gefährdungen der heutigen Zeit sind Arbeitslosigkeit, Wohlstandsverlust und Armut sowie Krankheit, Pflege und soziale Isolierung im Alter. Immer schneller breiten sich daher laut Opaschowski Hausgemeinschaften, Senioren-WGs und Generationenhäuser aus. Eine wachsende Zahl Familien-, Kinder- und Enkelloser gehe auf die Suche nach neuen Wahlfamilien und Wahlverwandtschaften.
Opaschowski ist der Ansicht, die Gefahren hätten auch gute Seiten: "Wohlstand ist nicht nur materieller Wohlstand." Die Menschen könnten Werte jenseits des Geldes wiederentdecken. Nach seiner Ansicht fordern die Bürger angesichts der kommenden Härten nun klare Ansagen von der schwarz-roten Koalition. "Von Politik und Wirtschaft wollen die Bürger nicht mehr nur hören, was gerade noch geht, sondern verläßliche Antworten auf die Frage bekommen, wohin es geht", sagt er. Die Wähler erwarteten "eine vorausschauende Politik, die in Zeiträumen von Generationen und nicht nur von Legislaturperioden denkt". aus: DW, AP