BERLIN - Im Bundestag haben die Parlamentarier und Gäste der Opfer des NS-Regimes gedacht. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) erinnerte anläßlich des 60. Jahrestags der Befreiung Vernichtungslagers Auschwitz an die Millionen Menschen, die der infernalen Todesmaschinerie der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind. An dem entsetzlichsten Ort der deutschen Geschichte sei offenbar geworden, was Menschen in der Lage seien, anderen Menschen anzutun, sagte Thierse. Er beklagte, daß noch heute rechtsextremistische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung verankert seien. Dabei erinnerte er vor allem an das Verhalten der rechtsextremen NPD im sächsischen Landtag, die sich in der vergangenen Woche dem Gedenken an die Opfer des Holocausts verweigert hatte. "Es sitzen wieder Neonazis in einem deutschen Parlament", sagte der SPD-Politiker. Dies sei eine Schande. Die Demokraten müßten die Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen suchen.
Bei der Gedenkfeier im Reichstagsgebäude hielt der Holocaust-Überlebende und Historiker Arno Lustiger eine Rede. Dieser forderte härteres Vorgehen des Staates gegen Rechtsextremisten. Es sei an der Zeit, daß die Verfassungsrichter ihre Samthandschuhe auszögen. Er zeichnete ein Bild der Juden im Widerstand. Es habe zahlreiche Beispiele dafür gegeben, daß KZ-Häftlinge sich gewehrt hätten, Aufstände organisierten, Fluchtmöglichkeiten organisierten oder die Untaten der Wächter dokumentierten. Lustiger hat Konzentrationslager und Todesmärsche überlebt. Der 1924 Geborene ist Mitbegründer der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main. Die Veranstaltung begleitete Wolf Biermann musikalisch. Er trug Lieder aus dem "Großen Gesang vom ausgerotteten jüdischen Volk" von Jizchak Katzenelson vor. Biermanns Vater Dagobert, ein jüdischer Kommunist und Widerstandskämpfer in Spanien, wurde in Auschwitz ermordet.
aus: WELT.de