Dieser Indo-Chinesischer Tiger in Hanoi-Zoo hatte mehr Glück als Nico, er wird weder von Pelz-Händlern, noch von "Falck"-Schützen getötet. Die globale Tiger-Population ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts um 95% gesunken, bis auf die heutigen 5 000. FOTO - REUTERS
Kopenhagen - Nico war ein wunderschöner, neun Monate alter Sibirischer Tiger und zog erst vor drei Wochen zusammen mit seiner Schwester Luna in das eigens für sie gebaute Tigergehege im Zoo der dänischen Kleinstadt Nyköbing. Sogar der Bürgermeister kam zur Begrüßung. Beim Anblick von Nico und Luna verstand jeder, warum der Tiger erst vor kurzem zum beliebtesten Tier der Welt gewählt wurde.
Nun ist das Raubtier tot. Er starb, weil er seinem Freiheitsdrang nachging, und er starb auch, weil das hochgelobte Freigehege für einen mutigen Tiger nicht genug Hindernisse bot. In erster Linie starb er allerdings, weil die Menschen in Panik gerieten und in diesem Moment ihre Bewunderung für die edle Großkatze vergaßen.
Besonders tragisch: Nico und Luna lebten bis gestern im Käfig des Tigergeheges. Nach ihrer Eingewöhnungszeit wurden sie am Nachmittag zum ersten Mal hinaus ins Grüne gelassen. Nico strich am fast fünf Meter hohen Zaun entlang und sah darin offensichtlich eher eine Herausforderung als ein Hindernis. Geschmeidig, wie Katzen nun einmal sind, kletterte er über den Zaun und ignorierte auch die Stromstöße der 10 000-Volt-Sicherheitsleitungen. Der Tiger war frei! Der Zoo wurde sofort evakuiert, Streifenwagen fuhren durch die Stadt und warnten die Bürger, in den Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders wurde vor der "130 Kilo schweren Killermaschine" gewarnt. Gleichzeitig wurden Tierärzte mit Betäubungsgewehren und die Organisation "Falck" - die Feuerwehr und Rettungsdienst unter sich vereint - alarmiert.
Keiner wußte, wo Nico war, und er wurde in jeder Ecke von Nyköbing vermutet, bis man ihn schließlich fand. Nico hatte sich nie von seinem neuen Zuhause entfernt, sondern sich in einem Gang zwischen Freigehege und zweitem Sicherheitszaun niedergelassen. Seine Schwester saß nur wenige Zentimeter neben ihm - auf der "richtigen" Seite des Zauns. Ein Tierarzt mit Betäubungsgewehr und mehrere Schützen von "Falck" bezogen Stellung. Dann drückte der Tierarzt ab - und schoß daneben. Erschrocken sprang Nico auf, in dieser Sekunde schossen die "Falck"-Leute. Nico starb im Kugelhagel, Schwester Luna wurde durch einen Schuß verletzt und mußte operiert werden.
Bis es soweit war, wich sie allerdings kein Stückchen von ihrem toten Bruder. Sie legte sich, soweit es der Zaun zuließ, neben ihn und trauerte offensichtlich. Ob der Zoo weiterhin Tiger halten will, ist völlig ungewiß. Nun muß das gerade stolz eröffnete Freigehege erneut von Grund auf überprüft werden.
aus: DW