Hamburg - 10. Januar, 14.14 Uhr: Ganz nebenbei klickt Hellmut Sempell beim Surfen ein lästiges Werbebanner zu. Ein folgenschwerer Klick: Der Hamburger Rechtsanwalt ist eine der rund 160 000 Personen, die von der Firma Hanseatische Abrechnungssysteme GmbH (HAS) für die angebliche Nutzung von Pornoseiten belangt worden sind. Am 11. Februar trudelte bei ihm die Rechnung über 69,95 Euro ein, dann zwei Mahnungen und schließlich sogar eine Inkassoforderung über mittlerweile 118,90 Euro. Genauso ging es Sempells Nachbarn, einem 72-jährigen pensionierten Zahnarzt. Beide zahlten nicht - im Gegensatz zu vielen anderen: Die Hamburger Staatsanwaltschaft, die derzeit gegen die HAS ermittelt, geht von bundesweit etwa 30 000 geschädigten Internet-Benutzern aus. Multipliziert mit knapp 70 Euro ergibt das die exorbitante Summe von mehr als zwei Millionen Euro.
Einen Vertrag über die Nutzung von Pornoseiten hat keines der Opfer willentlich abgeschlossen. Trotzdem zahlen sie. Sie schämen sich - und genau das nutzen die Internet-Betrüger aus: Die von der HAS angeschriebenen Bürger wollen sich nicht dem Verdacht ausgesetzt sehen, Web-Seiten mit erotischem Inhalt genutzt zu haben.
In die Dialer-Falle tappen Ärzte und Sekretärinnen ebenso wie Rechtsanwälte, Hausfrauen und jugendliche Hobbysurfer. An die Telefonnummern und damit Adressen ihrer Opfer gelangen die Betrüger über einen im Netz versteckten Dialer: ein kleines Telefonwählprogramm, das ihre Daten überträgt. Die Netz-Kriminellen sind ihren Ermittlern an technischem Know-how stets eine Nasenlänge voraus. "Kaum sind wir dem ersten Täter auf der Spur, kommt bereits ein zweiter nach", sagt der leitende Hamburger Oberstaatsanwalt Martin Köhnke.
aus: DW